Der Scheerstrook

Als   Nächstes   wurde   der   Scheerstrook   in   die   richtige   Lage   gebracht.   Er   galt   als   das   wichtigste   Kriterium für   die   Form   des   Schiffes.   Hierzu   hatte   man   für   die   einzelnen   Schiffstypen   passende   oder   nahezu passende   Malle.   Eventuell   hatte   man   auch   ein   Maßsystem,   mit   dem   der   Verlauf   der   größten   Weite   des Schiffes   von   achtern   nach   vorne   festgelegt   werden   konnte.   Um   die   vom   Schiffbauer   gewünschte   Form des   Schiffes   zu   bekommen,   wurde   die   äußere   Kontur   der   größten   Weite   vermutlich   am   Boden   markiert. Entlang   dieser   Markierung   befestigte   man   dann   an   vertikal   angeordneten   Holzpfählen   sowohl   an   der Backbordseite   als   auch   an   der   Steuerbordseite   den   Scheerstrook .   Die   genaue   Höhenlage   ergab   sich aus   den   von   C.van   Yk   gemachten   Angaben.   Die   Oberkante   der   Planke,   die   hier   12   x   3   Daumen   im Querschnitt   war,   lag   am   vorderen   Mittelspant   in   Höhe   der   unteren   Deckshöhe.   Zum   Vorsteven   hin   stieg der   Scheerstrook   auf   je   6   Fuß   Schiffslänge   um   1   Daumen,   nach   hinten   auf   6   Fuß   Schiffslänge   um   5 Daumen    an.    Für    die    Eendracht    ergeben    sich    damit    die    nachfolgenden    theoretischen    Werte.    Am vorderen    Mittelspant    liegt    die    Oberkante    auf    einer    Höhe    von    15    Fuß    3    Daumen    (4322    mm).   Am Vorsteven   ergibt   sich   eine   Höhe   von   ca.   25   Daumen   (650   mm),   im   Bereich   der   Gillung   oberhalb   des Heckbalkens   von   ca.   126   Daumen   (3276   mm).   C.van   Yk   bemerkte,   dass   die   Spanten   zwischen   den Mittelspanten    weitgehend    identisch    waren.    Es    kann    davon    ausgegangen    werden,    dass    auch    der Scheerstrook   in   diesem   Bereich   weitgehend   horizontal   gehalten   wurde,   so   das   der   hintere   Anstieg   erst beim   hinteren   Mittelspant   seinen Anfang   nahm.   Der   höchste   Punkt   im   Bereich   des Achterstevens   lag   in der   Regel   auf   Höhe   des   Heckbalkens   oder   kurz   darüber.   Alle   bekannten   Abbildungen   aus   dem   17. Jahrhundert zeigen, dass das Achterschiff oberhalb des Heckbalkens nach innen eingezogen wurde. Bei   genauerem   Hinsehen   fällt   auf,   dass   die   Schiffbauer   des   17.   Jahrhunderts   bei   der   Festlegung   dieser Höhenwerte   nur   den   berühmten   dicken   Daumen   anlegten.   Vermutlich   galt   die   von   C.van   Yk   empfohlene Berechnung   nur   als   ungefähre   Größenordnung.   C.van   Yk   begründete   das   unterschiedliche   Ansteigen des   Scheerstrooks   vorne   und   achtern   damit,   dass   die   Schiffe   voll   ausgerüstet   achtern   viel   tiefer   im Wasser   lägen   als   vorne.   Damit   nun   die   Lage   der   Berghölzer   achtern   nicht   gerade   oder   gar   nach   unten laufend   erschien,   würde   man   achtern   den   Scheerstrook   einiges   höher   legen   als   vorne.   Ihm   selbst schien   diese   Vorgehensweise   nicht   praktikabel,   hatte   vermutlich   aber   keine   bessere   Idee.   Vergleichen wir   die   von   C.van   Yk   dargelegten   Beispiele   mit   seiner   Berechnungsempfehlung,   stellen   wir   fest,   dass keine    Übereinstimmung    erzielt    werden    kann.    In    keinem    Fall    sind    die    nach    C.van    Yks    erfolgten Berechnungen mit seinen Angaben in Übereinstimmung zu bringen.

Zwei weitere Konstruktionsspanten

Eine   etwas   delikatere Aufgabe   war   die   Bestimmung   der   Lage   und   Formgebung   der   noch   ausstehenden beiden   Konstruktionsspanten.   Sie   mussten   sowohl   im   Hinter-   als   auch   im   Vorschiffsbereich   aufgestellt werden. C.van   Yk   konnte   sich   der   Kritik   an   seinen   Mitstreitern   nicht   enthalten.   Er   hielt   ihnen   vor,   nicht   genau   zu wissen,   wie   denn   die   Form   dieser   beiden   Spanten   auszusehen   hätte.   Er   empfahl   seinen   Lesern,   nach dem Aufstellen   der   Mittelspanten   zwei   Senten   zu   legen.   Sie   sollte   an   der   Backbord-   und   Steuerbordseite von   der   Unterkante   der   Randsomhölzer   über   die   Kimm   der   beiden   Mittelspanten   bis   zum   Vorsteven gelegt werden. Die genaue Lage am Vorsteven richtete sich nach dessen Fall. Die       nun       folgende       Maßnahme       erforderte       außerordentliches       Geschick       und       räumliches Vorstellungsvermögen.   Das   vordere   Spant   wurde   auf   den   Knotenpunkt   Kiel/Vorsteven   gesetzt.   Man   wird hier   wenig   Spielraum   für   ein   Verschieben   nach   vorne   oder   hinten   gehabt   haben.   Der   richtige   Platz   des hinteren   Spantes   allerdings   war   entscheidend   für   die   Völligkeit   des   Hinterschiffes.   Wurde   es   zu   weit nach   vorne   geschoben,   lief   man   Gefahr,   ein   zu   schmales   Hinterschiff   zu   bekommen.   Das   Schiff   sackte dann   förmlich   hinten   weg.   Wurde   das   Spant   zu   weit   nach   hinten   geschoben,   lief   man   Gefahr,   ein   zu völliges   Hinterschiff   zu   bekommen.   Dieses   konnte   zur   Folge   haben,   dass   nun   wiederum   das   Vorschiff einsackte.   Das   reine Augenmaß   unseres   Meisters   reichte   an   dieser   Stelle   beileibe   nicht   mehr   aus.   Hier war   der   Vergleich   mit   bereits   gebauten   und   erprobten   Schiffen,   Erfahrung   und   eine   gute   Portion   Glück erforderlich.   Denken   wir   an   die   Vasa,   die   noch   vor   ihrer   ersten   Fahrt   1628   im   Hafen   von   Stockholm kenterte.   Vielen   Schiffen   ereilte   in   den   vergangenen   Jahrhunderten   ein   ähnliches   Schicksal.   Nicht   alle gingen    gleich    unter    oder    besaßen    eine    schiefe    Schwimmlage.    In    vielen    Fällen    konnten    die aufgetretenen Mängel durch richtiges Trimmen mit entsprechend platziertem Ballast behoben werden. C.van   Yk   beschrieb   auf   Seite   77   seines   Buches   beispielhaft,   wie   anhand   eines   160   Fuß   langen   Schiffes
Literatur Literatur
Der Scheerstrook
  Angabe
Van Yk
Berechnung
Van Yk
L [F]
H v [D]
H h [D]
H v [D]
H h [D]
80‘
12“
54“
13“
66,6“
85‘
11“
60“
14“
71“
85‘
9“
66“
14“
71“
90‘
93‘
113‘
132‘
144‘
154‘
155‘
13“
16“
18“
16“
25“
24“
20“
84“
78“
108“
96“
132“
128“
132“
15“
15,5“
19“
22“
24“
25,6“
25,8“
75“
77,5“
94“
110“
120“
128“
129“
158‘
160‘
25“
27“
129“
150“
26“
26,6“
131,6“
133“
Verlauf des Scheerstrooks verschiedener Schiffe, wie sie C.van Yk. beschrieben hat. Berechnungsgrundlage nach C.van Yk: Auf je 6 Fuß Schiffslänge steigt der Scheerstrook vorne 1 Daumen und hinten 5 Daumen. L = Länge über Steven. H v  = Höhe vorne über Raumtiefe. H h  = Höhe hinten über Raumtiefe. Die Angaben der Höhen weichen zum Teil erheblich von seinen Berechnungen ab.