Die Decks

Die   Kriegsschiffe   des   hier   untersuchten   Zeitraumes   hatten   mehrere   Decks.   Regional   unterschiedliche   Bezeichnungen   in   den   überlieferten   Unterlagen, vor   allem   in   den   ausgewerteten   Bestecken,   stifteten   anfangs   Verwirrung.   In   dieser Arbeit   wurden   grundsätzlich   die   hier   folgende   Decksbezeichnungen zugrunde   gelegt.   Das   untere   Batteriedeck   hatte   in   allen   Bestecken   die   Bezeichnung   Überlauf.   Das   darüberliegende   Deck   wurde   im   nördlichen   Holland Verdeck    genannt.    Im    südlichen    Holland    gebrauchte    man    die    Bezeichnung    Kuhbrücke,    die    auch    in    dieser   Arbeit    Verwendung    findet.    Um    bei Kriegsschiffen   zügig   ohne   große   Umstände   vom   Halbdeck   zur   Back   zu   gelangen,   wurde   ein   schmales,   nicht   festmontiertes   Deck   gelegt.   Diesen   Gang nannte   man   auch   Kuhbrücke.   Zu   M.H. Tromps   Zeiten,   also   bis   um   die   Mitte   des   17.   Jahrhunderts,   war   die   Kuhbrücke   das   obere,   ein   von   achtern   nach vorne   durchlaufendes   Geschützdeck.   Bei   großen   Handelsschiffen,   besonders   bei   den   Schiffen   der   ostindischen   Handelskompanie,   verstand   man darunter   allerdings   das   zusätzlich   angeordnete   Zwischendeck   unterhalb   des   Überlaufs.   Beide   Geschützdecks   waren   durchlaufend   vom   hinteren   bis zum   vorderen   Ende   des   Schiffes   und   waren   entsprechend   stark   bewaffnet.   Hier   spielte   sich   überwiegend   das   Leben   der   einfachen   Matrosen   und Soldaten   ab.   Dieser   Bereich   war   Lebensraum   und   Kampfplatz   zugleich.   Unter   den   Decks   hing   eine   Vielzahl   von   Hängematten,   die   schon   seit   längerer Zeit   Einzug   in   den Alltag   der   Besatzungen   gefunden   hatten.   Es   ist   jedoch   kaum   vorstellbar,   dass   in   diesen   Hängematten   eigentlich   immer   Menschen schliefen, war doch auch im 17. Jahrhundert ein gut organisierter Schichtdienst Alltag an Bord eines Schiffes. Hatte   man   zu   Beginn   des   Jahrhunderts   bei   kleineren   Kriegsschiffen   bis   130   Fuß   Länge   noch   überwiegend   auf   das   Halbdeck   beziehungsweise Backdeck   verzichtet,   begann   man   während   des   ersten   großen   Flottenbauprogrammes   1653/54   darüber   nachzudenken,   sie   wieder   zum   Bestandteil der   Schiffe   zu   machen.   M.H. Tromp   und   andere   Seeoffiziere   regten   diese   Verbesserung   an.   Die   sich   auf   den   Werften   schon   im   Bau   befindliche   Schiffe wurden    kurzerhand    umgerüstet.    Die    Schiffbauer    bekamen    für    diese    Erweiterung    einheitlich    400    Gulden    je    Schiff.    Man    sprach    jedoch    nicht grundsätzlich   vom   Halbdeck,   sondern   es   gab   auch   die   Bezeichnung   Bougnet   oder   auch   Verdeck.   In   diese Arbeit   wurden   die   Bezeichnungen   Halbdeck und   Backdeck   verwendet.   Einerseits   waren   die   Schiffbauer   sehr   konservativ   in   ihrem   Denken,   demzufolge   standen   sie   Neuerungen   eher   skeptisch gegenüber.   Andererseits   konnten   sie   aber   noch   während   des   Bauens   eines   Schiffes   zwei   zusätzliche   Decks   einziehen.   Hier   zeigte   sich   das   für   die damalige Zeit gültige System des Bauens nach dem Auge und den Erfahrungen der Vorfahren als sehr flexibel. Als   man   sich   im   Laufe   der   zweiten   Jahreshälfte   1653   bei   den Admiralitäten   Gedanken   darüber   machte,   ob   es   nicht   notwendig   wäre,   für   die   kleineren Kriegsschiffe    von    130    Fuß    Länge    zusätzlich    ein    Halbdeck    und    ein    Backdeck    in    die    schon    fertiggestellten    Schiffe    einzuziehen,    musste    den Verantwortlichen   bewusst   gewesen   sein,   auf   welch   dünnes   Eis   man   sich   begeben   würde.   Da   die   Genehmigung   solcher   Aktionen   vonseiten   der Verantwortlichen   ähnliche   Zeiten   in Anspruch   nahmen   wie   in   unserer   heutigen   Zeit,   hatten   die   Werften   die   Schiffe   sicher   entsprechend   vorbereitet   und die Schiffsstruktur entsprechend angepasst. Oberhalb   des   Halbdecks   befand   sich   bei   großen   Kriegsschiffen   das   Kampanjedeck.   Ihm   vorgelagert   wurde   die   Schiffsstruktur   für   die   Nutzung   eines sogenannten    Sonnendecks    vorbereitet.    So    konnte    bei    Bedarf    ein    aus    Segeltuch    bestehendes    Sonnendach    gespannt    werden.    Bei    kleineren Kriegsschiffen    lag    oberhalb    des    Halbdecks    dann    das    Hüttendeck.    Bei    den    großen    Schiffen    befand    sich    dieses    Hüttendeck    oberhalb    des Kampanjedecks. Nicht in allen Bestecken wurden die Deckshöhen angegeben. Die große Anzahl der Bestecke lässt jedoch eine gute Einschätzung zu. Der   Deckssprung   des   Überlaufs   und   der   Kuhbrücke   war   monatelang   Gegenstand   von   harten   Auseinandersetzungen   zwischen   M.H.   Tromp,   den Schiffbaumeistern   der   Admiralitätswerften   und   W.C.de   With   auf   der   einen   Seite   und   den   Vertretern   der   Admiralitäten   auf   der   anderen   Seite.   Die erfahrenen   Seeleute,   die   als   Praktiker   das   Tagesgeschäft   auf   See   kannten,   hatten   schon   bei   normalem   Seegang   leidvolle   Erfahrungen   machen müssen.    Wegen    der    aus    ihrer    Sicht    zu    großen    Decksbalkenbucht    rollten    während    eines    Gefechts    die    Kanonen    unkontrolliert    zur    Bordseite. Erschwerend   kam   hinzu,   dass   im   hinteren   und   vorderen   Bereich   der   Schiffe   wegen   des   erheblichen   Deckssprungs   die   dort   stehenden   Kanonen   schon bei   geringem   Seegang   vielfach   umfielen.   Dieses   hatte   unter   anderem   seinen   Grund   in   dem   zu   hoch   liegenden   Gesamtschwerpunkt   der   Geschütze. Man   kann   sich   leicht   ausmalen,   wie   mühsam   es   für   die   Besatzungen   gerade   während   eines   Gefechts   sein   musste,   die   Geschütze   immer   wieder aufzurichten. Im Einzelfall wogen sie bis zu 3000 kg. Sinngemäß forderte M.H. Tromp daher in einem Schreiben vom März 1653 an die Admiralität unter anderem Folgendes: "...   7.   dass   der   Überlauf   und   die   Kuhbrücke   nicht   mehr   als   4   Daumen   Bucht   haben   mögen,   um   das   Wasser   abzuführen.   Zum   Ende   kann   die   Kanone besser   glatt   als   auf   einer   schlechten   runden   Batterie   stehen.   So   man   den   Balken   mehr   Bucht   geben   muss,   um   ein   Durchsacken   zu   verhindern,   sollten dickere   Wassergänge   gelegt   werden.   Und   sollte   man   den   Beginn   der   Bucht   den   Erfordernissen   entsprechend   weiter   von   der   Bordwand   beginnen lassen,   damit   der   Überlauf   nicht   schlechter   als   vorne   wird.   Denn   die   meisten   Schiffe   haben   ihre   Überläufe   und   Kuhbrücken   zu   rund   angelegt.   Dadurch kann   nicht   genau   gemessen   werden,   um   zu   schießen. Auch   wenn   mit   den   Stücken   im   Bereich   der   Konstabelskammer   oder   im   Bereich   des   Übergangs Kiel/Vorsteven geschossen wird, können sie weniger hart umfallen oder gegen die Bordwand stampfen. ..." Dem    Schreiben    M.H.    Tromps    entnehmen    wir,    dass    zwei    Bereiche    für    Mensch    und    Schiff    besonders    gefährlich    waren:    Der    Bereich    der Konstapelskammer   und   der   am   Bug.   In   beiden   Fällen   sollten   die   dort   aufgestellten   Geschütze   durch   einfaches   Drehen   sowohl   nach   achtern   als   auch nach vorne schießen können.