Der portugiesische Schiffbau im 16. Jahrhundert

Entwicklung der Entwurfspraktiken

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung der überlieferten Konstruktion früher Schiffe. Nun muss natürlich berücksichtigt werden, dass es nicht im Detail möglich ist, hier richtiges Licht und einen Faden zu finden. Will sagen, dass es große Lücken im Schriftgut gibt. Der Schiffbauer war in den vergangenen Jahrhunderten nicht daran interessiert, sein Wissen einem größeren Personenkreis offenzulegen. Im Zweifel waren es eher die interessierten Laien, die das Wissen um die Entstehung eines Schiffsentwurfs dokumentierten. Aber auch ihnen ist es nur rudimentär gelungen, die Arbeitsschritte verständlich darzustellen. Es bleiben leider Lücken, die nur schwer geschlossen werden können. Die ältesten Schriftstücke, oder besser Manuskripte, gehen in das 15. und 16. Jahrhundert zurück. Schon Kirsch hatte sich 1988 in seinem zukunftsweisenden Buch über die Galeonen ausgiebig mit der Konstruktion der frühen Schiffe auseinandergesetzt. Seine Untersuchungen zur frühen Konstruktion der Schiffe kann man durchaus als wegweisend bezeichnen. Im Kapitel 7 „Frühe Darstellungen der Schiffskonstruktion“ hat er uns einige sehr interessante Aspekte dieser frühen Entwicklung aufgezeigt.

Der portugiesische Schiffbau

Im Jahre 1996 ist ein interessantes Werk über den portugiesischen Schiffbau erschienen. Sein Titel lautet: „LIVRO PRIMEIRO DA ARCHITECTURA NAVAL“. Auf Seite 57 des Originals werden die Steven und der Kiel dargestellt, auf Seite 58 dann die Konstruktion eines Querschnitts. Auf Seite 66 wird der untere Spiegel gezeigt und auf der Seite 73 hatte der Autor sich mit den Senten seiner Konstruktion auseinandergesetzt und eine einfache Zeichnung überliefert. Neben viel Text sind auch weitere, hier aber nicht von Belang erscheinende Details der Konstruktion von Bauteilen eines Schiffes abgebildet. Die Handschrift wird im 16. Jahrhundert entstanden sein. Im 16. Jahrhundert haben in Portugal scheinbar sogenannte Marinearchitekten Schiffsentwürfe getätigt. Der Schiffbauer diente in Portugal mehr oder weniger als Ausführender. Er war, wenn man Lavanha glauben schenken kann, nicht für den Entwurf, sondern für die Ausführung des Baus zuständig. Lavanha hatte sein Manuskript in verschiedene Kapitel unterteilt. In Kapitel 4 zum Beispiel erwähnte er, dass der Marinearchitekt, nach seinem zeichnerischen Entwurf ein ordentliches Holzmodell gebaut haben wird. An diesem Modell könnte er dann seinen Entwurf besser verstehen und eventuell gemachte Fehler korrigieren. Wenn man dem Manuskript aufmerksam folgt, stellt man schnell fest, dass Lavanha von den in der Renaissance wiederentdeckten Autoren der Antike beeinflusst wurde. Schon in seiner umfangreichen Einführung verwies er mehrfach auf den großen Architekten Vitruv. Seine 12 Bücher müssen großen Einfluss auf die Gedankenwelt des Lavanha ausgeübt haben. Die Marinearchitekten hielten scheinbar viel vom proportionalen System im Schiffbau. Lavanha ging wohl sogar so weit, dass wenn irgendwo ein portugiesisches Wrack gefunden würde, man nur ein einziges Bauteil diesem Schiff entnehmen müsste, um danach ein gleichwertiges Schiff bauen zu können. Wenn dem wirklich so war, müsste es auch heute mit dem Wissen um die Proportionen eines portugiesischen Schiffs möglich sein, eine gute Rekonstruktion zu bewerkstelligen. Im fünften Kapitel ging es dem Autor um das Material im Allgemeinen und dem Holz im Besonderen. Die Schiffbauer verarbeiteten wohl nicht nur Eichenholz. Im sechsten Kapitel widmete er sich dann dem Fällen der benötigten Bäume. Hier ging es um den richtigen Zeitpunkt, also dem Fälldatum des Baumes. Dann kam Lavanha recht schnell auf die Hauptkomponenten seiner Konstruktion, zu sprechen. Der Beginn dieser Konstruktion lag in der Definition des Kiels. Hier legte er ein Maß von 105 Palmi zugrunde, ohne näher zu erklären, wie dieses zustande gekommen wäre. Dann wollte er eine Skala anlegen, die in verschiedene Einheiten aufgeteilt waren. Es waren also Rumos, Goas und Palmo de Goa. Hinzu kam noch eine weitere Einheit, nämlich die Braça craveira. Die Deckshöhen spielten beim Entwurf eines Schiffes eine wichtige Rolle. Lavanha hatte eine einfache Berechnung der Höhen geschildert. Für die Raumhöhe, also den unteren Decksbalken wurden 2/15*Kiellänge gewählt. Das waren 14 Palmi. Der zugehörige Decksbalken bekam eine Höhe von einem Palmo. Das zweite Deck bekam eine Höhe von 1/15*Kiellänge entsprechend 7 Palmi. Auch das dritte Deck bekam diese Höhe. Die Decksbalken der oberen beiden Decks betrugen 2/3*unterer Decksbalken, also 0,66667 Palmi. Die Relinghöhe wurde einfach ermittelt. Halbe Deckshöhe vom zweiten zum dritten Deck. Wir kommen da auf 3,5 Palmi. Dann wurde noch erwähnt, dass die Maße der Konstruktion 1:1 auf dem Schnürboden übertragen wurde. Um zum Beispiel einen großen Kreisbogen zu erstellen, nutzte man nicht den Zirkel, sondern einer Schnur. Im Manuskript wurde darauf hingewiesen, dass die Mallen für die Bauspanten nur für eine Hälfte gefertigt würden. Da die beiden Schiffseiten ja gleich sein sollten, konnte das Mall für die Backbord- und Steuerbordseite durch Umlegen genutzt werden. Da nun aber je Spant eine gewisse Anzahl von Mallen notwendig war, wurde auf den entsprechenden Mallen die Decks markiert. Bei heutiger Betrachtung dieser Vorgehensweise stellt sich die Frage, wie waren die Decks zueinander angeordnet. Da sich das Schiff nach vorne und nach hinten in der Form stark veränderte, muss dieses auf den Mallen berücksichtigt worden sein. Gerade beim Übergang vom unteren zum zweiten Deck wurde dieses schnell sichtbar. Der Bau des Schiffes begann damit, das in bestimmten Abständen Stapelblöcke errichtet wurden. Sie hatten eine vorgeschriebene Höhe und Breite. Sodann wurde am Anfang und am Ende des Kiels je ein Block gesetzt. Die Mitte des Schiffes wurde an beiden Blöcken markiert. Beide Blöcke wurden nun mit einer starken Schnur verbunden. Der Kiel, der gelegt werden musste, hing in der Mitte nach unten durch. Ein Maß dafür wurde nicht angegeben. Die restlichen Stapelblöcke wurden entsprechend angeordnet, so dass der Kiel gut unterstützt wurde. Nachdem der Kiel gelegt, die Steven samt unterem Spiegel aufgestellt wurden, stellte man 5 Spanten auf den Kiel. Wie das im Detail ausgesehen hat, wird leider nicht deutlich. Vermutlich waren es 5 gebaute Spanten vom Kiel bis zur Reling. Sie sollten wohl alle gleich aussehen.
Literatur Literatur
Stand 29.12.2019